Wie sage ich meinem Kind, dass es adoptiert ist?
Für uns stand von Anfang an fest, dass wir mit dem Thema "Adoption" offen umgehen wollen. Unsere mittlerweile zwei Herzenskinder sollten von Anbeginn wissen, dass sie zwei Mamas und Papas haben. Doch: Wie erzähle ich meinem Kind, dass es adoptiert ist? Wie formuliere ich es "richtig"? Und: Wann ist der richtige Zeitpunkt, um das Thema anzusprechen?
Ab dem Moment als wir unser Herzenskind das erste Mal in den Händen hielten, gab es für uns nur noch uns und das kleine Wesen. Wir wollten ihm ein liebevolles und warmes Zuhause schenken. All unsere Liebe geben. Wollten, dass es weiß: Wir sind nun für immer für dich da. Wir kuschelten viel und waren damit beschäftigt, in unsere Elternrolle "hineinzuwachsen". Für mich war es mein erstes Kind und ich musste alle "Basics" erst einmal erlernen: Wie genau wickele ich, dass die Windel nicht ausläuft? Wie warm darf das Fläschchen sein? Welche Babycreme ist die beste für trockene Haut? Und so weiter. Und so weiter. In dieser Zeit beschäftigten wir uns, ganz ehrlich gesagt, überhaupt nicht mit der Frage "Wie klären wir unser Kind auf?". Zwar hatten wir immer im Kopf "Wickeltischaufklärung ist wichtig", doch wir waren in den ersten Wochen und Monaten voll mit dem Mama-Sein und Papa-Sein beschäftigt.
Soll ich es sagen oder nicht?
Wir waren uns immer einig, dass die Adoption nie ein Tabu-Thema unseren Kindern gegenüber sein sollte. Und: Auch ein Thema, über das man nicht spricht, ist ein Tabu. Ein Geheimnis. Wenn ich etwas verschweige, egal mit welcher Intension ich das tue, signalisiere ich doch immer, dass es etwas "Unnormales" ist, etwas, wofür ich mich vielleicht sogar schäme, etwas über das man nicht sprechen darf. Unsere beiden Herzenskinder sollen sich nie für ihre Herkunft schämen. Im Gegenteil: Sie sollen in dem Verständnis aufwachsen, dass ihre leiblichen Eltern nur das Beste für sie wollten. Sie haben sich bewusst dafür entschieden, sie in die Welt zu bringen und sie in liebevolle Hände zu geben. Sie haben das aus Liebe zu ihren Kindern getan. Unsere beiden Herzenskinder haben je zwei Eltern - die, die ihnen das Leben geschenkt haben und die, die sie durch die Welt begleiten und an ihrer Seite sind. Ein Leben lang.
Bindung hat viel mit Vertrauen zu tun. Jedes Adoptivkind erlebt in jungen Jahren einen schweren Bindungsabbruch in seinem Leben - durch die Trennung von seinen leiblichen Eltern. Stellt euch mal vor, ihr erzählt eurem Adoptivkind nicht, dass es von euch adoptiert wurde? Ich glaube, es würde immer spüren, dass da irgendetwas ist. Und wenn es dann im Erwachsenenalter erfährt, dass es adoptiert wurde, ist das der größte Vertrauensbruch, den es erleben wird. Denn die beiden Menschen, denen es am meisten im Leben vertraut (hat), nämlich Papa und Mama, haben ihm nicht die Wahrheit erzählt. Was glaubt ihr, was das mit ihm macht?
Doch: Wie fange ich es an?
Wir stellten uns nach einigen Monaten Eltern-Dasein die Frage, wann ist denn der "richtige" Zeitpunkt, um über die Adoption zu sprechen. Sollten wir unserem Kind schon mit fünf oder sechs Monaten erzählen, dass es nicht in meinem Bauch aufgewachsen ist? Nimmt es das überhaupt schon war? Oder sollten wir erst dann etwas sagen, wenn es uns fragt, wo Babys herkommen? Nur wann wird das sein? Nun, ich glaube, es gibt nicht DEN richtigen Zeitpunkt, DEN richtigen Moment. Ich finde, wir Eltern sollten hier in jedem Fall die Initiative ergreifen. Und das Thema in den Alltag integrieren. Auch wenn unsere Kinder im Alter von ein paar Monaten vermutlich noch nicht verstehen, was wir ihnen hier erzählen, sollten wir dennoch damit anfangen. Denn wir lesen unseren Kindern in diesem Alter ja auch schon Bücher über Tiere, Fahrzeuge etc. vor und erklären ihnen die Welt - und die Geschichte, wie wir eine Familie wurden, gehört hier ebenso dazu.
Nun: Wie kann ich das Thema "Adoption" in den Alltag integrieren? Das kann z. B. in Form einer Geschichte sein, die ihr eurem Herzenskind vorlest. Hier gibt es ganz verschiedene Kinderbücher zum Thema "Adoption". Oder vielleicht haben die leiblichen Eltern eurem Herzenskind etwas mit auf den Weg gegeben, ein Kuscheltier zum Beispiel. Oder wenn ihr z. B. an der Klinik vorbeikommt, in der euer Kind auf die Welt gekommen ist, ist das ein guter Ankerpunkt. Wenn wir das Thema "Adoption" frühzeitig in unseren Alltag integrieren, lernen auch wir als Eltern über die Adoption entspannt zu sprechen. Und das ist so wichtig. Das Thema wird für uns ein ganz normales Alltagsthema. Je mehr wir das "üben", umso selbstverständlicher wird es. Das ist wie mit dem Fahrradfahren. Heute steigen wir einfach auf und fahren los.
Unsere eigene Geschichte - unser eigenes Buch
In den ersten Monaten, in denen wir unserem Herzenskinder von seinen leiblichen Eltern erzählt haben, haben wir meist kein Feedback bekommen. Erst mit drei Jahren hat unser Herzenskind das erste Mal aktiv nachgefragt. Ich erinnere mich noch wie heute: Wir sahsen am Esstisch und ich erzählte von unserem nächsten Treffen mit befreundeten Adoptiveltern. Ich erklärte ihm, dass das kleine Mädchen auch zwei Mamas und Papas hat. Dann schaute mich mein Herzenskind mit großen Augen an und ich merkte, dass es nachdachte: "Mama, warum sind wir nicht in deinem Bauch aufgewachsen?" war dann seine Frage. Ich war zunächst ganz überrascht. Dann erklärte ich es ihm.
Da das Interesse nun "geweckt" war und unser Herzenskind auch aktiv nachfragte, kam uns die Idee, unsere Geschichte aufzuschreiben. Bücher spielen bei uns eine große Rolle. Schon als unsere Herzenskinder noch sehr klein waren, haben wir viele Bücher zusammen angeschaut bzw. vorgelesen. Und so kam uns der Gedanke unsere Familiengeschichte zu Papier zu bringen. Wir schrieben sie in einfachen Worten, in altersgerechten Worten nieder. Wir haben diese Geschichte mit Bildern ergänzt und daraus ein Buch gedruckt, in das wir auch weitere Bilder hinzukleben können. Diese Geschichte lesen wir immer wieder vor oder schauen uns das Buch zusammen an. Unser Familienbuch steht bei all den anderen Büchern im Bücherschrank. Und jeden Abend, wenn wir uns zum gemeinsamen Lesen und Kuscheln zusammensetzen und jeder sich eine Geschichte aussuchen darf, ist das Buch auch ab und zu dabei. :-)
Wie bezeichne ich die leiblichen Eltern?
Über die Adoption mit unseren Kindern zu sprechen, war für uns zu Beginn "Neuland". Dabei kamen auch für uns Fragen auf: Wie sollen wir die Herkunftsfamilien unserer beiden Herzenskinder bezeichnen? Wir kennen die Vornamen der leiblichen Eltern nicht und so brauchten wir eine Bezeichnung für sie. Herkunftsfamilie? Leibliche Eltern? Eltern Nummer eins? Das waren alles, aus unserer Sicht, sehr formale Bezeichnungen und für uns wenig emotional. Wir entschieden uns dann für Bauchmama und Bauchpapa sowie Baucheltern. Wir fanden, dass dies am ehesten das beschreibt, was sie sind: Die Eltern, die das kleine Wesen in die Welt gebracht haben, für es im Mutterleib gesorgt haben. Einmal fragte mich, mein Herzenskind: "Wenn ich eine Bauchmama haben, was bist du dann für eine Mama? Da fehlt doch noch etwas." Darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Ich hatte immer zwischen Bauchmama und Mama unterschieden. Aber irgendwie hatte es recht. Auch hier fand ich viele Begrifflichkeiten: Alltagsmama, Jeden-Tag-Mama oder Bonusmama. Das alles überzeugte uns nicht. Schlussendlich entschieden wir uns für Herzensmama und Herzenspapa. Denn wir haben uns unsere Kinder von Herzen gewünscht und wollen sie mit all unserer Liebe ein Leben lang begleiten. Unseren beiden Adoptivkindern gefiel dieser Begriff. Und seitdem sind wir eine Herzensfamilie. :-)
Es gibt viele Wege, seinem Kind zu erzählen, dass es adoptiert ist. So sind mittlerweile viele Kinderbücher auf dem Markt, die die Adoption thematisieren. Manche Adoptiveltern haben ein Puppenhaus zuhause, in dem alle Familienmitglieder wohnen - auch die leiblichen Eltern finden darin einen Platz. Andere Adoptiveltern decken den Geburtstagstisch mit zwei Tellern mehr - diese sollen für die leiblichen Eltern da sein, auch wenn sie nicht real anwesend sein können. Oder ihr schreibt einfach euer eigenes Buch - eure eigene Geschichte. Wichtig ist, dass ihr euren Weg findet. Das gilt auch für die Begrifflichkeiten. Nehmt hier euren ganz persönlichen Weg, der für euch stimmig ist. Eine Sache möchte ich euch aber gerne ans Herz legen: Sprecht frühzeitig mit euren Kindern. Integriert das Thema als ganz "normales Thema" in den Alltag. Es gibt so viele Familienformen - und wir sind eben eine Herzensfamilie! Und das ist etwas ganz Wunderbares!
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