Adoption in Deutschland - was ihr vorab wissen solltet


 Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ist in Deutschland fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos. Um den Wunsch nach einem eigenen Kind zu erfüllen, holen sich viele dieser Paare medizinische Hilfe. Die Kinderwunschkliniken erleben einen enormen Boom in den letzten Jahren. Doch dieser Weg ist nicht nur kostspielig, sondern für viele Frauen körperlich und vor allem auch seelisch eine große Belastung. Wir haben unser Familienglück durch die Adoption von zwei Herzenskindern gefunden. Vielleicht auch ein Weg für euch, um euren Herzenswunsch zu erfüllen. Doch was bedeutet "adoptieren" eigentlich? Welche Adoptionsarten gibt es in Deutschland? Und wie läuft die Adoption eines Kindes genau ab? Hier ein paar Fakten zum Thema.

1)    Was bedeutet Adoption eigentlich? Und: Was ist der Unterschied zwischen Adoption und Pflege?

Adoption bedeutet die Annahme eines nicht leiblichen Kindes. Sie ermöglicht Kindern, die nicht bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen können, die Chance auf ein behütetes und liebevolles Familienleben. Mit dem Adoptionsbeschluss ist das Adoptivkind rechtlich gesehen nicht mehr das Kind der biologischen Eltern, sondern der Adoptiveltern. Es erhält den Nachnamen und die Staatsangehörigkeit der Adoptiveltern. Adoptivfamilien haben ab diesem Zeitpunkt die gleichen Rechte wie Familien mit leiblichen Kindern. Und: Adoptivkinder sind dann auch allen leiblichen Kindern der Adoptiveltern rechtlich gleich gestellt. Es gibt hier keine Unterschiede mehr. Pflegekinder hingegen bleiben gesetzlich immer die Kinder ihrer leiblichen Eltern. Das Sorgerecht kann hier unterschiedlich geregelt sein: Ein Amtsvormund aus dem Jugendamt kann das vollständige Sorgerecht übernehmen, für einen bestimmten Bereich kann dieses aber auch bei den leiblichen Eltern verbleiben oder die Pflegeeltern können das Sorgerecht unter bestimmten Voraussetzungen erhalten. Wenn die Pflegeeltern kein Sorgerecht haben, so dürfen sie allerdings in Angelegenheiten des täglichen Lebens des Kindes entscheiden.

2)    Wie kann ich in Deutschland ein Kind adoptieren?

Nur bestimmte Stellen dürfen in Deutschland Kinder vermitteln. In erster Linie sind dies die Jugendämter der jeweiligen Städte. Es gibt aber auch Adoptionsvermittlungsstellen von kirchlichen bzw. freien Trägern. Ich habe dir hier mal die Listen der Träger verlinkt: katholische Träger, evangelische Träger und Adoptionsdienste in nichtkonfessioneller Trägerschaft. Bei all diesen Stellen könnt ihr euch bewerben. Wichtig zu wissen: Wer ein Kind adoptieren möchte, muss unbeschränkt geschäftsfähig und mindestens 25 Jahre alt sein. Ein Höchstalter gibt es übrigens, wie oft vermutet, nicht. Der Altersunterschied zum Adoptivkind sollte aber einem natürlichen Abstand entsprechen. Ehepaare, ungeachtet des Geschlechts, aber auch Alleinstehende, wobei dies deutlich schwieriger ist, können ein Kind adoptieren.

3)    Welche Adoptionsarten gibt es in Deutschland?

In Deutschland können sich leibliche Eltern für verschiedene Freigabeformen ihres Kindes entscheiden. So gibt es die anonyme Geburt bzw. in manchen Bundesländern die sogenannte Babyklappe. Bei beiden Formen ist die Herkunft des Kindes unbekannt. Es werden keinerlei Personendaten der biologischen Eltern erfasst. Während bei der Babyklappe kein persönlicher Kontakt zwischen der abgebenden Person und den Mitarbeitenden besteht, ist bei der anonymen Geburt eine medizinische Versorgung der Mutter und des Kindes vor, während und nach der Geburt gewährleistet. Bei beiden anonymen Formen hat das zur Adoption freigegebene Kind keine Möglichkeit, mehr über seine Herkunft zu erfahren, außer die abgebenden Eltern haben etwas bei Abgabe des Kindes beigefügt, wie z. B. einen Brief. 

Seit 2014 gibt es in Deutschland zudem die vertrauliche Geburt. Hier erhalten Frauen, die ihr Kind zur Adoption freigeben, eine rechtssichere Möglichkeit, ihre Identität für einen zeitlich begrenzten Zeitraum geheim zu halten. Gleichzeit werden ihr umfassende Hilfsangebote zur Verfügung gestellt, sodass auch die beste medizinische Versorgung für Mutter und Kind gegeben ist. Die abgebende Frau offenbart ihre wahre Identität nur einmalig gegenüber der Schwangerschaftsberatungsstelle, danach wählt sie ein Pseudonym. Die Schwangerschaftsberatungsstelle erstellt einen sogenannten Herkunftsnachweis, der nach der Geburt des Kindes in einem versiegelten Umschlag an das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben (BAFzA) geschickt und dort verwahrt wird. Mit dem 16. Geburtstag hat das Adoptivkind das Recht, mehr über seine Abstammung zu erfahren. Es kann den Herkunftsnachweis mit den persönlichen Daten der Mutter (Name, Geburtsdatum, Anschrift) beim BAFzA einsehen. Übrigens: Seit Einführung der vertraulichen Geburt ist die Zahl der anonymen Geburten gesunken. Eine Trendanalyse zeigt, dass über 40 Prozent der Frauen die vertrauliche Geburt als Alternative zu einer anonymen Form der Kindsabgabe nutzen. Für das Adoptivkind ist die vertrauliche Geburt eine große Chance. So kann es mehr über seine Wurzeln erfahren. 

Neben den beiden Varianten der anonymen Freigabe gibt es noch das komplette Gegenteil: die offene bzw. halboffene Adoption

Bei einer offenen bzw. halboffenen Adoption lernen sich die leiblichen Eltern und zukünftigen Adoptiveltern meist vor der Geburt kennen. Die leiblichen Eltern können sogar mitbestimmen, welches Bewerberpaar das Kind adoptieren soll. Wie offen bzw. intensiv der Austausch untereinander erfolgt, hängt von der jeweiligen Ausgestaltung ab. Die leiblichen Eltern können einen aktiven Part im Leben des Kindes einnehmen oder es besteht nur ein Briefkontakt, der z. B. über die Adoptionsvermittlungsstelle gesteuert wird (ohne Austausch der Adressen). Das große Plus der halboffenen und offenen Adoption: Die Adoptiveltern kennen die leiblichen Eltern, sie können z. B. offene Fragen stellen und ihrem Adoptivkind viel von seinen Wurzeln und seinen biologischen Eltern erzählen. Auch ein direkter Kontakt zu diesen ist für das Kind möglich.

4)    Wie läuft eine Adoption ab?

Zunächst musst du dich bzw. müsst ihr euch bei einer Adoptionsvermittlungsstelle melden. Empfehlenswert ist es, sich gleich bei mehreren Stellen zu bewerben, um die Chance auf euer Herzenskind zu erhöhen. Dort werdet ihr dann erst einmal "geprüft", ob ihr geeignet seid. Diese Prüfung erfolgt über persönliche Gespräche mit der Adoptionsvermittlungsstelle und über Fragebögen, die ihr ausfüllen müsst. Du fragst dich vielleicht, was man alles mitbringen muss? Nun, bei der Prüfung geht es um deine / eure Persönlichkeit, die Stabilität eurer Beziehung und die Bereitschaft zum offenen Umgang mit dem Thema "Adoption" gegenüber dem Kind. Es wird aber natürlich auch geschaut, wie körperlich und geistig gesund ihr seid und ob ihr euch ein Kind finanziell "leisten" könnt. Am Ende wird eine offizielle Stellungnahme erstellt. Bei "positivem Ergebnis" werdet ihr in den Bewerberpool aufgenommen. Meist werden im Anschluss Seminare für Bewerberpaare von dem jeweiligen Träger angeboten. Diese halte ich für sehr wichtig, um zumindest ein bisschen eine Vorbereitung zu erhalten, auf das, was womöglich auf euch zukommt. 😀 Dann heißt es erst einmal warten, warten, bis ihr ausgewählt werdet. Wie erfolgt diese Auswahl? Nun, es ist nicht so, wie auch ich fälschlicherweise gedacht habe, dass die Bewerberpaare nach der Reihenfolge "dran sind". Die Auswahl erfolgt anhand er verschiedensten Kriterien - es ist schlichtweg entscheidend, wie gut ihr zum Kind "passt". So können beispielsweise die leiblichen Eltern gezielte Vorstellungen äußern, was die Adoptiveltern mitbringen sollen. Bei uns war es so, dass wir erst am Tag der Geburt des Kindes erfahren haben, dass wir ausgewählt wurden. Dann ging alles ziemlich schnell. Mit der "Übergabe des Kindes" in die Hände der Adoptiveltern beginnt dann die sogenannte "Adoptionspflegezeit". In dieser Zeit bleibt das Jugendamt weiter der Vormund des Kindes. Nach Ende dieser Zeit, die je nach Adoptionsart unterschiedlich lang ist, bei der vertraulichen Geburt ist es beispielsweise ein Jahr, kann die Adoption beantragt werden. Das ist dann ein sehr formaler Akt. Am Ende entscheidet das Familiengericht mit dem sogenannten Adoptionsbeschluss. Dann seid ihr eine offizielle "Herzensfamilie".

5)    Woher weiß ich, ob ich für eine Adoption bereit bin?

Wichtig ist hier zu unterscheiden zwischen "Bin ich grundsätzlich bereit, ein Kind zu adoptieren?" und "Kann ich das für mich ausgewählte Kind annehmen?". Die erste Frage wirst du während des Bewerberprozesses für dich beantworten können. In diesem Prozess haben wir uns sehr stark mit uns, unseren Gefühlen und unserer Partnerschaft beschäftigt. Die zweite Frage wirst du erst beantworten können, wenn du dein Herzenskind auf dem Arm hältst. Auf diese Situation kann man sich nicht vorbereiten. Dein Herz wird dann entscheiden, was für dich / euch und das kleine Wesen der richtige Weg ist. Glaube mir: Du wirst es spüren. 😀 Bei der gesamten Bewerberphase ist eins ganz wichtig: Wenn du merkst, dass du das nichts kannst bzw. ihr das nicht könnt, dann könnt ihr jederzeit "aussteigen". Es ist ganz wichtig, dass ihr hier offen und ehrlich zu euch selbst seid. Denn: Es geht hier um ein kleines Wesen, dass bedingungslos geliebt werden will. 

Hast du noch Fragen? Oder möchtest du mir von eurer Herzensgeschichte erzählen? Dann schreib mir einfach eine Mail an herzensfamilie@gmx.de oder hinterlasse einen Kommentar. Ich freue mich auf deine Nachricht. 


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