Adoption – ein Kind auf Bestellung?

 Als wir uns für den Weg „Adoption“ entschieden haben, hatten wir zunächst viele Fragen im Kopf: Was müssen wir alles mitbringen? Was wird von uns verlangt? Und: Wie wird eigentlich geprüft, ob wir für die Adoption eines Kindes geeignet sind? Als wir in die Bewerberphase eingestiegen sind, kam plötzlich noch eine Frage auf uns zu, mit der wir, ehrlich gesagt, nicht gerechnet hatten: Was wollen WIR für ein Kind?

Wir hatten uns mit Blick auf die Adoption für einen kirchlichen Träger in Bayern entschieden, also nicht für das Jugendamt. Diesen kontaktierten wir zunächst per E-Mail. Darin stellten wir uns kurz vor und äußerten unseren Herzenswunsch – unseren Wunsch nach einem Adoptivkind. Wir erhielten relativ schnell eine Antwort und wurden zum ersten Gespräch eingeladen. Die zuständige Mitarbeiterin der Adoptionsvermittlungsstelle war sehr nett und nahm uns wirklich gut bei der Hand. Wir fühlten uns ab dem ersten Moment wohl – am richtigen Ort angekommen. Sie erklärte uns zunächst den Ablauf der Bewerberphase: Neben mehreren Gesprächen und einem Hausbesuch galt es für uns viele Unterlagen einzureichen. Wir sollten einen ausführlichen Lebensbericht mit Foto erstellen. Dieser sollte unsere Lebensgeschichte beinhalten, also unsere Kindheit, unsere Erziehung, Informationen zu unserem Verhältnis zu den Eltern und Geschwistern, wichtige Meilensteine im Leben, also z. B. Schul- und Berufsausbildung, aber auch was wir so gerne in der Freizeit machen. Das war gar nicht so einfach. Wir beide hatten so etwas noch nie gemacht. Lebenslauf ja, aber Lebensbericht? Wo fangen wir an und wo hören wir auf? Des Weiteren brauchten wir noch ärztliche Atteste, erweiterte Führungszeugnisse, Gehaltsnachweise, Auszüge aus dem Geburtsregister und unsere Heiratsurkunde. Das war ein ganz großer Berg an Unterlagen. Die galt es erst einmal alle zu besorgen. Doch dann gab es da noch diesen Fragebogen.

Was wünschen wir uns? Wie darf unser Kind sein?

Nun, dieser Fragebogen für Adoptionsbewerber hatte zunächst ganz normale Felder. Dort wurde unter anderem nach unserem Namen, der Konfession, der Adresse und dem Datum der Eheschließung gefragt. Aber dann kam auch noch die Anlage „Ihre Vorstellungen zur Aufnahme eines Adoptivkindes“. Und über diesem Papier saßen mein Mann und ich sehr lange. Um was geht es darin? Hier wurden wir nach unseren konkreten Wünschen gefragt. Ich fand einen Teil der Fragen zunächst etwas befremdlich: Welches Geschlecht darf das Kind haben? Darf es ausländischer Herkunft sein? Darf es eine andere Hautfarbe haben? Diese Fragen klangen wie Fragen in einem Bestellkatalog: Soll die Hose blau oder grün sein? Kurz oder lang? Mit Taschen oder ohne? Mein Mann schaute mich damals auch ganz verwundert an. Hautfarbe, Geschlecht und Herkunftsland – diese Fragen hatten wir uns bislang noch nie gestellt. Wir wollten ein Kind. Und: Ein Kind ist doch ein Kind? Ein kleines Wesen, das ein liebevolles Zuhause sucht – egal wie es aussieht oder wo es herkommt. Ich fragte mich: Wie konnte man solche Fragen stellen? Aber je weiter wir den Fragebogen bearbeiteten, umso klarer wurde uns, um was es bei diesen Fragen ging.

Fragen über Fragen

Nun, damit ihr euch das vorstellen könnt, hier ein paar konkrete Fragen aus dem Fragebogen:

  • Können Sie sich die Aufnahme eines Kindes vorstellen, das verhaltensauffällig ist? Solche Kinder können z. B. bindungsarm, distanzlos oder kontaktscheu, aggressiv oder ängstlich, umtriebig oder sehr in sich gekehrt sein. Häufig kann das Verhalten mit z. B. sehr konsequentem Erziehungsverhalten positiv beeinflusst werden.
  • Können Sie sich vorstellen, ein Kind mit Störungen der Sprache, des Sehens oder Hörens aufzunehmen?
  • Ist für Sie die Aufnahme eines körperbehinderten Kindes vorstellbar?
  • Auch für Kinder mit lebensverkürzenden Krankheiten (z. B. Krebs, AIDS und manche Stoffwechselstörungen) werden Eltern gesucht. Könnten Sie sich die Betreuung und Begleitung eines solchen Kindes vorstellen?

Es ging darum, für sich festzulegen, wo die eigenen Grenzen für die Aufnahme eines Kindes liegen. Im Mittelpunkt dieser Fragen steht immer nur eins: nämlich das Wohl des Kindes. Es soll das bestmöglichste Zuhause bekommen. Das Zuhause, wo es bedingungslos geliebt wird. Wo man bereit war, es so anzunehmen und so zu lieben, wie es ist. Und deshalb diese Fragen. Was kann man als Adoptiveltern wirklich leisten? Hier rate ich nur jedem Bewerberpaar offen zu sein. Ohne Scham. Auch wenn die Angst mitschwingt, vielleicht kein Kind zu erhalten, weil man hier zu enge Grenzen setzt, sollte man ehrlich sein. Denn nur so werden alle glücklich mit der Vermittlung. Nur so könnt ihr euer Herzenskind aus vollem Herzen lieben.

Deshalb: Lasst euch Zeit für diesen Fragebogen. Füllt ihn gemeinsam aus. Steht offen zu euren Grenzen und euren Möglichkeiten. Denn es geht hier um ein kleines Menschenleben. Um ein Wesen, das verdient, am richtigen Platz aufzuwachsen. In einer Familie, die es über alles liebt. In einer Familie, die es annehmen kann, so wie es ist. Und auch, wenn die Zahl an Bewerberpaaren höher ist als die Zahl an zur Adoption freigegebenen Kindern und eure Grenzen eng gesteckt sind  – wenn es euer Herzenskind ist, dann findet es den Weg zu euch. 

Wenn ihr Fragen habt, jederzeit gerne. Schreibt mir einen Kommentar oder schickt mir eine E-Mail an herzensfamilie@gmx.de.


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